Die Bentlager Kulturlandschaft

Mit dem barocken Ausbau des Klosters im 18. Jahrhundert wurde zwischen den beiden Torhäusern und dem Westflügel ein geometrischer Garten angelegt. Die einzelnen Parterres waren durch ein kreuzförmiges Wegesystem gegliedert. Als gartengestalterisches Hauptmotiv legte man eine Allee als zentrale Achse vom Eingangstor bis zum Portal des Westflügels an. Damals war an der Klosteranlage noch ein Wassergraben vorhanden, der von der Brücke des Tores zu drei Fischteichen im Süden führte. Der Graben und die Teiche wurden im Laufe der Zeit zugeschüttet. Mit dem Ausbau zum Schloß wurde im 19. Jahrhundert der geometrische Klostergarten in einen kleinen Landschaftsgarten umgestaltet. Der Garten ist heute nur noch eine weite Rasenfläche mit vereinzelten Bäumen. Nur die zentrale durch den Garten führende Allee ist einheitlich mit Platanen neu bepflanzt worden. Beim Abriss der Kirche wurde auch der Mönchsfriedhof im ursprünglich vom Kreuzgang umschlossenen Innenhof des Klosters eingeebnet. Im Zuge der baulichen Restaurierung hat man die Grundfläche der alten Kirche und des südlichen Kreuzgangs durch den Wegebelag mit Kies und Platten wieder sichtbar gemacht. Durch die Überschneidung mit einer schon vorher vorhandenen Buchsbaumhecke wirkt die Gestaltung sehr akademisch. Bei der Restaurierung der gesamten Anlage hatte man das Ziel, die verschiedenen Spuren der Geschichte möglichst zu erhalten.

Bemerkenswert sind die erhaltenen Zeugnisse der historischen Landschaftsgestaltung. Zur Zeit des Barock wurde 1738 ein kleiner Buchenwald als sogenannter Sternbusch im Süden des Klosters angelegt. Wahrscheinlich nutzte ihn Fürstbischof Clemens August von Bayern als Jagdrevier, wenn er auf seinen Reisen ins weiter entfernte Jagdschlösschen Clemenswerth im Kloster Quartier nahm. Von den ursprünglich sternförmig angeordneten, vierachsigen Jagdschneisen sind heute noch die beiden Diagonalachsen erkennbar. Östlich vom Sternbusch führt der Weg durch die Bentlager Allee bis zur etwa 2 km entfernten Altstadt von Rheine am linksseitigen Ufer der Ems entlang. Die vierreihige Eichenallee wurde im 19. Jahrhundert mit dem Ausbau zum Schloss gepflanzt.

Nördlich vom Kloster kann man am Steilufer der Ems eine große, muldenförmige Vertiefung erkennen. Dabei handelt es sich um die sogenannte Winterlake. Bei starker Strömung sammelten sich während des Winterhochwassers in der Mulde wegen des ruhigeren Wassers zahlreiche Fische. Lief das Hochwasser ab, war den Fischen der Rückweg in den Fluß abgeschnitten und sie konnten dann mühelos abgefischt werden.

Das Sehenswerte des Klosters ist die vielgestaltige, historische Kulturlandschaft in der näheren Umgebung. Hier können Spaziergänger noch anschauliche Beispiele einer seit Jahrhunderten nur wenig veränderten Landschaft erleben. Vom ausgehenden Mitttelalter bis heute hat sich die von den Mönchen kultivierte “Klosterlandschaft” mit Hudewäldern, Viehweiden, Ackerflächen, Fischteichen, Wassergräben und den Wegen anschaulich erhalten.

Besonders reizvoll ist der Weg von der Saline zum Kloster. Fachkundige Wissenschaftler und Heimatforscher haben die symbolische Bedeutung der zur Mitte des 18. Jahrhunderts ausgebauten Klosterzufahrt erst vor einigen Jahren neu entdeckt und interpretiert. Vergleichbar mit den großen Inszenierungen der europäischen Gartenkunst, führt der Weg gleichsam durch eine “spirituelle Landschaft”, die als Sinnbild den Zyklus des Lebens darstellt. Mannigfaltige Anspielungen und religiöse Sinnbilder bereiten auf den eigentlichen Höhepunkt des Weges, den Eingang in das Kloster vor. Der Verlauf des Weges lässt sich dabei in drei sinnlich nachvollziehbare Stufen unterteilen: dem Bebauen, dem Verfeinern und dem Verehren. Mit dem Wissen um die symbolische Bedeutung des Weges werden sich nur wenige Besucher dem Reiz dieser Inszenierung entziehen können.

Ausgangspunkt der eindrucksvollen Klosterzufahrt ist die 1747 errichtete Steinbrücke über den Salinenkanal. Nach nur wenigen Metern gelangt man zu einer alten Schäferei. Der Anblick der einfachen Bauten und der grasenden Schafe löste bei gefühlvollen Zeitgenossen die Vorstellung vom idyllischen Leben der Schafhirten in einer friedvollen, arkadischen Landschaft aus. Als religiöses Motiv erinnerte die Schäferei zugleich an Abel, der als der erste Hirte der Menschheit mit seiner Schafherde durch das biblische Land zog. Als Kontrast dazu konnte man beim Anblick des anschließenden Hochackers, an seinen seßhaften Bruder Kain denken. Der Acker bekam die leichte gewölbte Oberfläche durch die jahrhundertelange Bearbeitung.

Der folgende Wegverlauf führt den Blick durch zwei geschwungene Kurven immer wieder in andere Richtungen. Dadurch konnte die unterschiedlich geformte Landschaft als wichtige Grundlage des alltäglichen Klosterlebens wahrgenommen werden. Der Bentlager Busch ist das älteste zusammenhängende Waldgebiet der Umgebung und seit Jahrhunderten ein beliebtes Jagdrevier. Ebenso nutzten die Mönche den Wald mit seinen Früchten von Eichen und Buchen zur Schweinemast. Heute ergibt sich dadurch größtenteils das aufgelockerte Bild eines Hudewaldes. Ohne große Mühe lässt sich noch im Wald ein tiefe Mulde erkennen, die einst ein Fischteich war.

Zusammenfassend hatten die Mönche auf diesem Wegabschnitt die unterschiedlichen Methoden zur Landnutzung und Bewirtschaftung inszeniert. Das Bearbeiten des Landes diente zur Sicherung der menschlichen Existenz.

Nach der alltäglichen Arbeit folgt das Motiv des Verfeinerns. Die Landschaft erscheint nun mehr nach ästhetischen Gesichtspunkten gestaltet. Nach der zweiten Kurve überquert der Weg eine alte Brücke und verläuft in gerader Linie auf das noch entfernte Kloster zu. Durch die Wahrnehmung des Klosters im Hintergrund werden die Schritte unwillkürlich schneller. Je mehr man sich nun dem Kloster nähert, desto weniger wird auf die umgebende Natur geachtet. Vergleichbar mit der Gartenkunst des Barock, wird die Landschaft in diesem Abschnitt der Architektur untergeordnet. Unmittelbar an der Wegkreuzung stehen vor der Toranlage zwei markante alte Bäume, eine Eiche und eine Linde. Die Eiche verkörpert symbolisch das Männliche und die Linde das Weibliche. Hier drängt sich als Sinnbild der Hinweis auf Adam und Eva auf. Mit dem Blick durch das kunstvolle Klostertor in den zwar einsehbaren, aber damals noch abgeschlossenen Garten, konnte so die Vorstellung vom biblische Paradies hervorgerufen werden.

Die Toranlage steht genau an der Grenze zwischen der historischen Kulturlandschaft und dem einst mit einer Hecke umschlossenen Klosterbereich. Mit dem Zutritt in den geweihten, “inneren” Klosterbereich hatte der Weg eine noch größere Bedeutung erhalten. Abseits vom weltlichen Alltag wurde hier die Natur wie im Paradiesgarten verfeinert und gepflegt. Mit dem ursprünglich geometrisch gestalteten Barockgarten und der direkt auf das Portal des Westflügels ausgerichteten Allee wurden zudem die Sinneseindrücke und die Erwartungshaltung der Besucher durch die Steigerung der Effekte bewußt erhöht. Gedanklich fortgesetzt, fand die barocke Achse im Innenhof des Klosters auf dem Mönchsfriedhof ihr endgültiges Ziel. Der eigentlich Höhepunkt des Weges war aber das barocke Portal des Westflügels mit dem dahinter liegenden Treppenhaus. Schon vor dem Eintritt ins Konventsgebäude konnte die geistige Vorstellungskraft mit dem Blick auf die drei Darstellungen der über dem nach oben offenen Portalgiebel angebrachten Reliefs immer mehr ins Erhabene gesteigert werden. Durchschritt man dann das Portal, gelangte man aus der kultivierten Natur hinein ins Klostergebäude, das ganz der religiösen Verehrung gewidmet war. Unweigerlich führte nun der Weg und die Blickrichtung im Treppenhaus nach oben. Beim Gang über die elegant geschwungene, doppelläufige Treppe näherte man sich immer mehr dem Himmlischen und ließ Stufe für Stufe alles Irdische zurück. Als christliches Symbol für die Himmelfahrt der Seele entführte dann der aufschwingende Adler des Deckengemäldes die Vorstellungskraft vom naturhaften Diesseits ins himmlische Jenseits. Die symbolische und bildhafte Darstellung des Lebenszyklus fand nun ihr Ende.

Interessant ist der Vergleich der Karten aus dem Jahren 1841 und 2007. Deutlich ist zu erkennen wie gut die Merkmale der vom Kloster Bentlage geprägten Kulturlandschaft erhalten blieben: Acker und Flure, Wege und Alleen sind wie vor 200 Jahren. Mit einem klick auf die Bilder vergrößern Sie diese.

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